Wie Honigbienenvölker in der Wildnis überleben –
Untersuchung der Bedeutung von kleinen Nestern und häufigem Schwärmen

Zusammenfassung

Die ektoparasitische Milbe Varroa destructor und die von ihr übertragenen Viren töten die von Imkern gehaltenen Völker der Europäischen Honigbiene (Apis mellifera), falls die Bienen nicht mit Mitiziden behandelt werden. Dennoch gibt es Populationen wilder Völker der Europäischen Honigbiene, die weiterbestehen, ohne mit Mitiziden behandelt worden zu sein. Wir stellten die Hypothese auf, dass das Fortbestehen dieser wilden Völker zum Teil auf ihre Gewohnheit, sich in kleinen Hohlräumen einzunisten und häufig zu schwärmen, zurückzuführen ist. Wir haben diese Hypothese getestet, indem wir zwei Gruppen von Völkern gebildet haben, die entweder in kleinen Bienenstöcken (42 l) ohne Schwarmkontrolle oder in großen Bienenstöcken (bis zu 168 l) mit Schwarmkontrolle lebten. Wir beobachteten die Völker zwei Jahre lang und verglichen die beiden Gruppen hinsichtlich Schwarmhäufigkeit, Varroa-Befallsrate, Auftreten von Krankheiten und Fortbestand der Völker. Die Völker in den kleinen Bienenstöcken schwärmten häufiger, hatten geringere Varroa-Befallsraten, weniger Krankheiten und einen höheren Fortbestand im Vergleich zu den Völkern in den großen Bienenstöcken. Diese Ergebnisse zeigen an, dass kleinere Nesthöhlen und häufiges Schwärmen der wilden Völker zu ihrem Fortbestand – auch ohne Milbenbehandlung – beitragen.

Einführung

In den letzten Jahrzehnten standen Imker weltweit vor zahlreichen Herausforderungen bei der Erhaltung gesunder Honigbienenvölker (Apis mellifera). Die jährliche Sterblichkeitsrate von über 20% der Völker gilt heute als typisch, und einige Imker berichten sogar von Verlusten bis zu 90%. Eine Vielzahl von Faktoren hat zu der erhöhten Sterblichkeitsrate der Völker beigetragen, aber der wohl bedeutendste ist die Einführung der ektoparasitischen Milbe, Varroa destructor, aus Asien, die als wirksamer Überträger von Viren der Honigbienenwirkt. Die Anzahl der Völkerverluste in Europa und Nordamerika hat sich nach der Ankunft von Varroa in den 70er und 80er Jahren fast verdreifacht [6]. Diese Milben haben einen neuen Übertragungsweg für Viren eingeführt, der die Virenlandschaft verändert hat und hat in dem Flügeldeformationsvirus (Deformed Wing Virus, DWV), dem Erreger, der mit dem Niedergang von Honigbienenvölkern zusammenhängt, einen massiven Verlust an Vielfalt verursacht. Ohne Behandlung der Varroa sterben bewirtschaftete Honigbienenvölker fast immer innerhalb von zwei bis drei Jahren.

Obwohl ein Varroa-Befall zum Tod von Bienenvölkern, die von Imkern bewirtschaftet werden, führt, sofern keine Behandlung gegen den Milbenbefall durchgeführt wird, haben mehrere Forscher über Populationen europäischer Honigbienenvölker, die in der Wildnis leben, berichtet, die ohne Varroa-Kontroll-Behandlungen weiterbestanden, obwohl sie mit Varroa befallen waren (Brasilien, Russland, Schweden, Frankreich und den Vereinigten Staaten). In all diesen Populationen hat der selektive Druck durch die Milben und Viren wahrscheinlich genetische Veränderungen bei den Bienen hervorgerufen, die ihnen eine intrinsische Resistenz gegen diese Parasiten und Krankheitserreger verleihen. Wir wissen zum Beispiel, dass die Population wilder Völker im Arnot Forest in den USA zwischen 1977 und 2010 eine massive Sterblichkeitsrate der Völker erfuhren und dass Hunderte der Kerngene in dieser Population starke Selektionszeichen aufweisen. Es kann jedoch auch Umweltfaktoren geben, die es wilden Völkern ermöglichen, einen Milbenbefall ohne Milbenbehandlung zu überleben, während bewirtschaftete Völker dies nicht können.

Wir stellten die Hypothese auf, dass die relativ kleinen Nisthöhlen wilder Völker ihre größere Fähigkeit teilweise erklären könnte, Varroa-Befall ohne Behandlungen zu überleben. In Nordamerika bewohnen wilde Honigbienen Baumhöhlen mit Volumina von 30 bis 60 Litern, während bewirtschaftete Völker normalerweise in Bienenstöcken mit Volumina von 120 bis 160 Litern untergebracht sind, so dass sie ausreichend Raum haben, um große Honigvorräte für Imker einzubringen. Da wild lebende Völker in kleinen Nisthöhlen leben, die das Schwärmen fördern, und nicht der imkerlichen Praxis der Schwarmkontrolle unterliegen, schwärmen wilde Völker wahrscheinlich häufiger als bewirtschaftete Völker. Wir stellten auch die Hypothese auf, dass häufigeres Schwärmen der wilden Honigbienenvölker zusammen mit ihrer verminderten Brutaufzucht (weil sie kleinere Nester haben) die Vermehrung der Varroa hemmt und diese wilden Völker daher weniger anfällig gegenüber den Milben und den von ihnen verbreiteten Krankheiten sind.

Die Formierung eines Schwarms trägt nicht nur etwa 35% der Varroa eines Volkes hinaus – denn 70% der erwachsenen Bienen ziehen weg, wenn ein Volk einen Schwarm bildet, und etwa 50% der Varroa eines Volkes sind auf den erwachsenen Bienen – es verursacht auch eine brutfreie Phase in dem schwärmenden Volk. Die Vermehrung der Varroa ist von Honigbienenbrut abhängig, und daher kann diese brutfreie Phase dazu beitragen, die Varroa-Population in einem Volk, das schwärmt, weiter zu verringern.

Um die Hypothese zu testen, dass kleine Nisthöhlen zur der Fähigkeit beitragen, dass wilde Völker ohne Varroa-Behandlungen weiterbestehen, führten wir ein Experiment durch, bei dem zwei Gruppen von Völkern miteinander verglichen wurden. In einer Gruppe lebten die Völker in kleinen (42 l) Bienenstöcken und blieben allein. Dies waren unsere „Völker im kleinem Bienenstock“, die wilde Völker von Honigbienen simulierten.

In der anderen Gruppe lebten die Völker in großen Bienenstöcken (bis zu 168 l) und wurden so bewirtschaftet, dass sie weniger schwärmten und ihre Honigproduktion steigerten: Königinnenzellen wurden regelmäßig entfernt, und den Völkern wurden zwei Zargen für den Brutraum gegeben sowie zwei weitere Zargen („Honigraum“) zur Einlagerung des Honigs. Dies waren unsere „Völker im großem Bienenstock“, in denen üblich bewirtschaftete Völker von Honigbienen simuliert wurden. Wir beobachteten die Brut und erwachsenen Bienenpopulation, die Milbenbefallsrate, das Vorkommen von Krankheiten, das Auftreten von Schwärmen, die Honigproduktion und den Fortbestand der Völker in beiden Gruppen über einen Zeitraum von zwei Jahren (Mai 2012 – April 2014). Wir sagten voraus, dass die Völker im kleinem Bienenstock häufiger schwärmen würden, eine niedrigere Varroa-Befallsrate, geringere Krankheitshäufigkeiten, eine niedrigere Honigproduktion und eine höhere Überlebensrate der Völker haben würden als die Völker im großem Bienenstock.

Diskussion

Die Ergebnisse dieser Studie stützen die Hypothese, dass der Fortbestand wild lebender Völker durch ihre Gewohnheiten gefördert wird, in kleinen Hohlräumen zu nisten und häufig zu schwärmen. Am Ende des zweiten Sommers der Studie wiesen die in kleinen Bienenstöcken lebenden Völker eine mittlere Varroa-Befallsrate der erwachsenen Bienen auf, die nur etwa ein Drittel der in großen Bienenstöcken lebenden Völker betrug. Während keines der Völker in den kleinen Bienenstöcken Anzeichen einer Krankheit aufwies, zeigten sieben der zwölf Völker ind den großen Bienenstöcken Symptome einer starken Infektion mit dem deformierten Flügelvirus (DWV), das eng mit einem starken Varroa-Befall verbunden ist. Darüber hinaus starben bis April 2014 alle sieben Völker mit Symptomen einer hohen DWV-Infektion. Es scheint klar zu sein, dass die in den großen Bienenstöcken lebenden Völker anfälliger für Varroa waren als die in den kleinen Bienenstöcken lebenden Völker. Die höheren Varroa-Befallsraten beeinträchtigten ihre Gesundheit und ihr Überleben, so dass am Ende nur noch 2 von 12 Völkern in den großen Bienenstöcken lebten. Im Gegensatz dazu wiesen die Völker in den kleinen Bienenstöcken relativ niedrige Varroa-Befallsraten auf, zeigten keine Symptome von Infektionen mit hohem DWV und hatten eine bessere Überlebensdauer mit 8 von 12 Völkern, die am Ende der Studie noch am Leben waren.

Ein merkwürdiger Befund in dieser Studie war der vorübergehende Anstieg der mittleren Varroa-Befallsrate bei den Völkern in den kleinen Bienenstöcken Mitte September 2013. Dieser Anstieg trat auf, weil 3 der 12 Völker in den kleinen Bienenstöcken plötzlich überraschend hohe Milbenbefallsraten aufwiesen: 15–17 Milben/100 Bienen. Diese 3 Völker hatten Mitte August nur 1–3 Milben/100 Bienen. Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass eines der Völker in den großen Bienenstöcken kurz vor der Erfassung dieses Anstiegs eine hohe Varroa-Befallsrate (13 Milben/100 Bienen) entwickelt hatte und zusammengebrochen war. Vor dem Bienenstock dieses Volkes lag ein Haufen toter Bienen, und der Bienenstock war fast leer, außer Bienen, die Honig raubten. Vermutlich stammten die raubenden Bienen aus nahe gelegenen Völkern.

Der Raub des Honigs eines sterbenden oder toten Volkes ist nicht ungewöhnlich [24], besonders wenn der Verfall des Volkes mit einem Nektarmangel [25] zusammenfällt, wie es der Fall war, als das Volk in der Behandlungsgruppe in den großen Bienenstöcken Ende August und Anfang September zusammenbrach. Da Varroa auf räubernde Bienen klettern kann [25,26,27] und in der Tat zunehmend dazu neigt, auf Nahrungssammler/Räuber (nicht nur auf die Ammenbienen) in einem Volk zu klettern, wenn die Varroa-Häufigkeit zunimmt [28], ist es wahrscheinlich, dass der Anstieg der mittleren Varroa-Befallsrate in den Völkern in den kleinen Bienenstöcken Mitte September auf den Import von Milben durch die Völker in den kleinen Bienenstöcken zurückzuführen ist, die Honig aus den zusammenbrechenden Völkern in den großen Bienenstöcken geraubt hatten. Wenn ja, dann ist dieser Anstieg der Varroa-Befallsrate in den Völkern in den kleinen Bienenstöcken, die nur 60 m von den Völkern in den großen Bienenstöcken entfernt lebten, ein Artefakt des Versuchsaufbaus.

Dieser Anstieg der Varroa-Befallsrate könnte erklären, warum in der Gruppe der kleinen Bienenstöcke eine erhebliche Völkersterblichkeit (4 von 12 Völkern) auftrat.. Ein Volk in den kleinen Bienenstöcken starb, weil ihre Königin kein Sperma mehr hatte, so dass letztendlich nur Drohnen in diesem Volk hervorgebracht wurden. Interessanterweise waren die anderen 3 verstorbenen Völker in den kleinen Bienenstöcken die 3 Völker, bei denen im September ein starker Anstieg der Varroa-Befallsraten zu verzeichnen war. So könnte die mögliche Einfuhr von Varroa (und der damit verbundenen Viren) aus dem zusammenbrechen Volk in dem großen Bienenstock im September zum Tod dieser drei Völker in den kleinen Bienenstöcken im Winter geführt haben. Da Räuberbienen wahrscheinlich Krankheiten hauptsächlich zwischen Bienenstöcken in unmittelbarer Nähe übertragen, ist es bedauerlich, dass wir die beiden Bienenstände für die beiden Behandlungsgruppen nicht weiter räumlich getrennt haben. Eine kürzlich durchgeführte Studie über die Auswirkungen des engen Zusammenstellens von Völkern hat gezeigt, dass durch die enge Zusammenstellung die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Völker im Spätsommer einen hohen Varroa-Befall erlangen, wenn das Raubverhalten am häufigsten ist.

Wir haben diese Studie durchgeführt, um zu untersuchen, wie Populationen wild lebender Völker ohne Varroa-Behandlung überleben können, während bewirtschaftete Völker selten länger als zwei bis drei Jahre fortbestehen, ohne gegen Varroa behandelt zu werden.

Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die geringe Größe der Nisthöhlen wild lebender Völker dazu beiträgt, dass sie trotz Varroa-Befall bestehen bleiben. Wie wir vorhergesagt haben, schwärmten die Völker in dieser Studie, die in kleinen Bienenstöcken lebten und keine Schwarmpräventionsbehandlung erhielten, eher, aber die Völker, die in großen Bienenstöcken lebten und eine Schwarmpräventionsbehandlung erhielten, neigten dazu, nicht zu schwärmen. Dieses häufige Schwärmen bei den Völkern in den kleinen Bienenstöcken, das offensichtlich auf die engen Bedingungen in ihren kleineren Bienenstöcken zurückzuführen war, bedeutete, dass eher die Völker in den kleinen Bienenstöcken mitten im Sommer Unterbrechungen in ihrer Brutaufzucht erlebten. Da ein Schwarmereignis etwa 35% der Varroa eines Volkes ausführt und der Varroa vorübergehend die zur Fortpflanzung benötigte Brut entzieht, ist es wahrscheinlich, dass eine höhere Schwarmrate wilden Völkern hilft, den Varroa-Befall zu begrenzen und damit zu überleben und sich ausreichend zu reproduzieren, um eine Population von wilden Völkern in einer Region zu erhalten. Es ist auch möglich, dass das Nisten in einer kleinen Höhle den Bienen hilft, hohe Varroa-Befallsraten zu vermeiden, da Völker mit kleinen Nestern weniger Brutzellen besitzen und Varroa dadurch weniger Fortpflanzungsmöglichkeiten bieten.

Schlussfolgerung für die Imker-Praxis

Die Ergebnisse dieser Studie deuten auf eine Bewirtschaftungspraxis hin, bei der Völker in großen Bienenstöcken gehalten werden können, für die Honigproduktion bewirtschaftet, nicht mit Milbenbekämpfungsmitteln behandelt und dennoch nicht Varroa und den damit verbundenen Viren erliegen. Insbesondere legt diese Studie nahe, dass das Teilen eines Volkes – eine Praxis, bei der die Königin und ein Teil der erwachsenen Bienen und Brut aus einem Volk entfernt und in einen anderen Bienenstock gebracht werden, um eine zusätzliches Volk zu bilden, während das ursprüngliche Volk eine Ersatzkönigin aufzieht – ein wirksames Mittel sein könnte, die Milbenpopulation in großen Völkern, die für die Honigproduktion bewirtschaftet werden, zu reduzieren.[32]. Das Teilen eines Volkes führt zu einer brutfreien Phase in dem Volk, und dies kann die Befallsrate von Varroa in bewirtschafteten Völkern auf die gleiche Weise begrenzen, wie es das Schwärmen bei wilden Völkern offensichtlich tut. Es kann jedoch auch die Honigproduktion eines Volkes mindern. Wir schlagen vor, dass weitere Untersuchungen zur Anrwendung der Teilung eines Volkes als nicht-chemische Methode zur Reduzierung von Varroa bei bewirtschafteten Honigbienenvölkern durchgeführt werden sollten.

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