Darwinistische Bienenhaltung –
20 Beispiele
Teil 3
„Darwinian Beekeeping“, Tom Seeley, American Bee Journal, März 2017
Das Originaltext findet sich im Internet auf der Seite des Natural Beekeeping Trust: https://www.naturalbeekeepingtrust.org/darwinian-beekeeping
Übersetzung aus dem Englischen: Harald Rausch
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Unterschied 1: Völker sind genetisch an ihren Standort angepasst vs. nicht angepasst
Jede Unterart von Apis mellifera war an das Klima und die Flora ihres geografischen Verbreitungsgebiets angepasst, und jeder Ökotyp innerhalb einer Unterart war an eine bestimmte Umgebung angepasst. Der Versand von begatteten Königinnen und die Verschiebung von Völkern über weite Entfernungen in der Wanderimkerei zwingt die Völker, dort zu leben, wo sie möglicherweise schlecht angepasst sind. Eine kürzlich in Europa durchgeführte umfangreiche Studie ergab, dass Völker mit Königinnen lokaler Herkunft länger lebten als Völker mit Königinnen nicht lokaler Herkunft.
Unterschied 2: Völker leben in weiten Abständen in der Landschaft vs. sind in Bienenstöcken dicht gedrängt
Dieser Unterschied macht die Bienenhaltung praktischer, führt aber auch zu einer grundlegenden Veränderung in der Ökologie der Honigbienen. Zusammengedrängte Völker leben in einem größeren Wettbewerb um Trachten, haben ein höheres Risiko, ausgeraubt zu werden, und größere Probleme bei der Fortpflanzung (z. B. durch die Vereinigung von Schwärmen, und Königinnen, die nach der Paarung in falsche Bienenstöcke zurückkehren). Die wahrscheinlich schädlichste Folge der Anhäufung von Völkern ist jedoch die Verstärkung der Übertragung von Krankheitserregern und Parasiten zwischen den Völkern. Wenn die Krankheitsübertragung erleichtert wird, erhöht dies das Auftreten von Krankheiten und hält zudem die virulenten Stämme der Krankheitserreger der Bienen am Leben.
Unterschied 3: Völker leben in relativ kleinen Nisthöhlen vs. leben in großen Bienenstöcken
Auch dieser Unterschied verändert die Ökologie der Honigbiene grundlegend. Völker in großen Beuten haben Platz für sehr große Honigvorräte, aber sie schwärmen auch weniger, weil der Raum nicht so begrenzt ist. Dies schwächt die natürliche Selektion auf starke, gesunde Bienenvölker, da sich weniger Völker vermehren. In großen Bienenstöcken gehaltene Völker haben auch größere Probleme mit Brutparasiten wie der Varroamilbe .
Unterschied 4: Völker leben mit vs. ohne Nisthülle aus antimikrobiellem Pflanzenharz
Ein Leben ohne eine Propolisschicht verstärkt den Aufwand des Volkes im Kampf gegen Krankheitserreger. Beispielsweise investieren Arbeiterinnen in Völkern ohne eine Propolisschicht mehr in aufwändige Immunsystemaktivitäten (z.B. die Synthese von antimikrobiellen Peptiden) als Arbeiterinnen in Völkern mit einer Propolisschicht.
Unterschied 5: Völker haben dicke vs. dünne Nisthöhlenwände
Dies führt zu einem Unterschied in dem energetischen Aufwand der Thermoregulation des Volkes, insbesondere in kalten Klimazonen. Der Wärmeverlust bei einem wildlebenden Volk, das in einer typischen Baumhöhle lebt, ist 4-7mal niedriger als bei einem bewirtschafteten Volk in einer herkömmlichen Holzbeute.
Unterschied 6: Völker leben mit hohen und schmalen vs. niedrigen und breiten Fluglöchern
Dieser Unterschied macht bewirtschaftete Völker anfälliger gegenüber Räuberei und Raubtiere (breite Fluglöcher sind schwerer zu bewachen) und kann ihr Überleben im Winter beeinträchtigen (niedrige Fluglöcher werden eher zugeschneit und verhindern dadurch Reinigungsflüge).
Unterschied 7: Kolonien leben mit reichlich vs. ohne Drohnenwaben
Die Völker an der Aufzucht von Drohen zu hindern steigert zwar die Honigproduktion (Seeley 2002) und verlangsamt die Reproduktion von Varroa, aber behindert auch die natürliche Selektion auf die Gesundheit des Volkes, indem verhindert wird, dass die gesündesten Völker ihre Gene (über Drohnen) am erfolgreichsten weitergeben.
Unterschied 8: Kolonien leben mit vs. ohne dauerhafter Nestorganisation
Eine Störung der Nestorganisation in der Bienenhaltung kann die Funktionstüchtigkeit des Volkes beeinträchtigen. In der Natur organisieren Honigbienenvölker ihre Nester mit einer präzisen 3-D-Struktur: ein kompaktes Brutnester, umgeben von Pollen- und darüber Honigvorräten. Imkerliche Praktiken verändern diese Nestorganisation, indem leere Waben eingefügt werden, um einen Brutstau zu verhindern. Dies behindert die Thermoregulation und kann andere Aspekte der Arbeitsweise des Volkes stören, wie das Eierlegen durch die Königin und den Polleneintrag durch Sammlerinnen.
Unterschied 9: Völker erfahren seltene vs. teilweise häufige Standortwechsel
Immer wenn ein Volk an einen anderen Ort bewegt wird, wie in der Wanderimkerei, müssen die Sammlerinnen die Orientierungspunkte um ihren Bienenstock neu erlernen und neue Nektar-, Pollen- und Wasserquellen ausfindig machen. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass Völker, die über Nacht an einen neuen Standort gebracht wurden, in der darauffolgenden Woche eine geringere Gewichtszunahme aufwiesen als Kontrollvölker, die bereits an diesem Standort lebten.
Unterschied 10: Völker werden selten vs. häufig gestört
Wir wissen nicht, wie häufig wild lebende Völker Störungen (z. B. Bärenangriffe) ausgesetzt sind, aber es ist wahrscheinlich seltener als bei bewirtschafteten Völkern, deren Beuten leicht geöffnet, beraucht und bearbeitet werden. In einem Experiment verglich Taber (1963) die Gewichtszunahme von Völkern, die während der Tracht besichtigt wurden, mit nicht besichtigten, und stellte fest, dass Völker, die untersucht wurden, 20 bis 30% weniger Gewichtszunahme am Tag der Besichtigung aufwiesen (abhängig von der Intensität der Störung) als die Kontrollvölker.
Unterschied 11: Völker setzten sich nicht vs. setzen sich mit neuartigen Krankheiten auseinander
Historisch gesehen beschäftigten sich Honigbienenvölker nur mit den Parasiten und Krankheitserregern, mit denen sie lange Zeit in einem Wettrüsten waren. Daher hatten sie Mittel zum Überleben gegenüber ihren Krankheitserregern entwickelt.. Wir Menschen haben dies alles geändert, als wir die weltweite Ausbreitung des ektoparasitären Milben Varroa destructor aus Ostasien, des Kleinen Beutenkäfers (Aethina tumida) aus Afrika südlich der Sahara und des Kalkbrutpilzes (Ascosphaera apis) und der Tracheenmilbe (Acarapis woodi) aus Europa förderten. Allein die Verbreitung der Varroa hat zum Tod von Millionen von Honigbienenvölkern geführt.
Unterschied 12: Völker haben vielfältige vs. einseitige Pollenquellen
Einige bewirtschaftete Völker befinden sich in landwirtschaftlichen Ökosystemen (z. B. riesigen Mandelplantagen oder ausgedehnten Rapsfeldern), wo sie einer geringeren Pollenvielfalt und mangelhaften Nahrungsquellen ausgesetzt sind. Die Auswirkung von Pollenvielfalt wurde untersucht, bei denen Ammenbienen mit monofloralem oder polyfloralem Pollen gefüttert und dann verglichen wurden. Bienen, die polyfloralen Pollen erhielten lebten länger als diejenigen, die monofloralem Pollen erhielten.
Unterschied 13: Völker haben natürliche Ernährung vs. werden manchmal mit Ersatzmitteln ernährt
Manche Imker füttern ihre Völker mit Eiweißzusätzen („Pollenersatz“), um das Wachstum des Volkes zu fördern, bevor Pollen in der Natur verfügbar ist, um Bestäubungsverträge zu erfüllen und höhere Honigpernten zu erzielen. Die besten Pollenpräparate/-ersatzsmittel stimulieren die Brutaufzucht, aber nicht in dem Maße wie natürlicher Pollen (http://scientificbeekeeping.com/a-comparative-test-of-the-pollen-sub/) und können zu Arbeiterinnen mit geringerer Qualität führen.
Unterschied 14: Völker sind nicht vs. sind neuartigen Giftstoffen ausgesetzt
Die wichtigsten neuen Giftstoffe für Honigbienen sind Insektizide und Fungizide, Substanzen, für die die Bienen keine Zeit hatten, Entgiftungsmechanismen zu entwickeln. Honigbienen sind nun einer ständig wachsenden Zahl von Pestiziden und Fungiziden ausgesetzt, die in ihrem Zusammenwirken die Bienen schädigen.
Unterschied 15: Völker werden nicht vs. werden gegen Krankheiten behandelt
Wenn wir unsere Völker gegen Krankheiten behandeln, stören wir das Wirt-Parasit-Wettrüsten zwischen Apis mellifera und ihren Krankheitserregern und Parasiten. Insbesondere schwächen wir die natürliche Selektion auf Krankheitsresistenz. So ist es keine Überraschung, dass die meisten bewirtschafteten Völker in Nordamerika und Europa nur eine geringe Resistenz gegenüber der Varroamilbe aufweisen, während es auf beiden Kontinenten Populationen von wildlebenden Völkern gibt, die eine starke Resistenz gegenüber diesen Milben entwickelt haben (Locke 2016). Die Behandlung der Völker mit Akaraziden und Antibiotika kann auch die Mikrobiome (Gesamtheit der die Biene besiedelnden Mikroorganismen) der Bienen eines Volkes beeinträchtigen.
Unterschied 16: Völker werden nicht vs. werden bewirtschaftet als Pollen- und Honiglieferant
Bienenvölker, die Honig produzieren sollen, sind in großen Bienenstöcken untergebracht, damit sie produktiver sind. Infolgedessen sind sie aber auch weniger geneigt, sich zu reproduzieren (Schwärme zu bilden), so dass es weniger Spielraum für eine natürliche Selektion auf gesunde Völker gibt. Außerdem macht die große Menge an Brut in Völkern in großen Bienenstöcken diese anfälliger für eine explosionsartige Vermehrung von Varroamilben und anderen Krankheitserregern, die sich in der Brut vermehren .
Unterschied 17: Völker erleiden keinen vs. erleiden Verlust an Bienenwachs
Das Entfernen von Bienenwachs aus einem Volk bedeutet eine ernsthafte energetische Belastung. Die Gewichtseffizienz der Bienenwachssynthese aus Zucker beträgt bestenfalls etwa 0,10, so dass jedes Pfund Wachs, das aus einem Volk entnommen wird, ungefähr 10 Pfund Honig weniger für andere Zwecke zur Verfügung steht, wie das Überleben im Winter. Die energetisch belastendste Art der Honiggewinnung, ist die Entnahme ganzer Honigwaben (z. B. Wabenhonig oder Tropfhonig aus zerstörten Waben). Es ist weniger belastend für das Volk, Honig zu schleudern, da dadurch nur das Entdeckelungswachs entnommen wird.
Unterschied 18: Völker wählen vs. wählen nicht die Larven für die Aufzucht von Königinnen
Wenn wir Larven bei der Königinnenzucht in künstliche Weiselbecher verpflanzen, verhindern wir, dass die Bienen entscheiden, welche Larven sich zu Königinnen entwickeln. Eine Studie ergab, dass die Bienen bei der Nachbeschaffung Larven nicht zufällig auswählen, sondern bestimmter Patrilinien bevorzugen.
Unterschied 19: Drohnen können vs. können nicht heftig um die Paarung konkurrieren
In Zuchtprogrammen, die mit instrumenteller Besamung arbeiten, müssen die Sperma liefernden Drohnen, ihre Kraft nicht unter Beweis stellen, indem sie mit anderen Drohnen um die Paarung konkurrieren. Dies schwächt die sexuelle Selektion auf jene Drohnen, die Gene für Gesundheit und Stärke besitzen.
Unterschied 20: Drohnenbrut wird nicht vs. wird zur Milbenbekämpfung aus dem Volk entfernt
Die Praxis des Drohnenbrutschneidens zur Kontrolle der Varroamilbe kastriert die Völker teilweise und beeinträchtigt so die natürliche Selektion auf Völker, die gesund genug sind, um stark in die Drohnenproduktion zu investieren.