Einige Erkenntnisse über wildlebende varroa-resistente Honigbienenvölker

Teil 3

Wissenschaftliche Studien über varroaresistente wildlebende Honigbienenvölker können Hinweise auf Ursachen des Bienensterbens geben als auch Anregungen für eine artgerechte Bienenhaltung

Sigrun Mittl, Diplom-Biologin, www.bienen-dialoge.de, Februar 2017

Bei dem folgenden Artikel handelt es sich um eine Zusammenfassung des überaus informativen und aufschlussreichen Beitrages von Sigrun Mittl (Diplom-Biologin), den sie auf der Website www.bienen-dialoge.de veröffentlicht hat.

Zusammenfassung Teil 3: Harald Rausch

Aktuelle wissenschaftliche Studien über varroa-resistente wildlebende Honigbienenvölker können sowohl Aufschluss über mögliche Ursachen der „Bienenkrise“ als auch Hinweise auf artgerechte imkerliche Praktiken geben.  Barbara Locke von der Swedish University for Agricultural Sciences hat diese Studien ausgewertet und kam zu interessanten und folgenreichen Schlüssen. (10) Nachfolgend eine Auswahl der Erkenntnisse:  

  • Weltweit lassen sich varroa-resistente Honigbienen-Populationen nachweisen; diese werden  überhaupt nicht oder nur wenig intensiv von Imkern betreut.
  • Eine evolutionäre Anpassung der Europäischen Honigbiene an die Varroa, wird durch die Varroa-Bekämpfungsmethoden der Imker verhindert; der Selektionsdruck, der für eine solche natürliche Anpassung notwendig ist, wird durch diese Methoden ausgeschaltet.
  • Moderne Imkerpraktiken begünstigen aktuell horizontale Übertragungswege, die in Richtung höherer Virulenz der Krankheitserreger  selektieren, vor allem durch die Verhinderung des Schwarms, hohe Dichten von Bienenstöcken in Imkereien und durch den Austausch von Beutenmaterial (Waben) von kranken oder toten Völkern.
  • All die untersuchten varroa-resistenten Honigbienen-Populationen haben hohen natürlichen Varroa-Druck erfahren, wodurch ihnen die Gelegenheit zu natürlichen Anpassungen gegeben wurde, da sie frei von den Einflüssen der typischen Imker-Praktiken waren.
  • Eine der möglichen Anpassungen an die Milbe stellt die Verkleinerung des Bienenvolkes dar (weniger Bienenmasse durch häufigeres Schwärmen), die für die varroaresistenten Populationen in Schweden, USA und Brasilien nachgewiesen wurde. Diese wird durch künstliche Selektion in Richtung auf hohen Honigertrag in Imkereien verhindert.
  • Unnatürlich hohe Völkerdichten in Imkereien führen zu höherer Re-Invasion von Milben und erhöhter Verbreitung von Krankheiten.

Anschließend werden die wissenschaftlichen Untersuchungen von Prof. Thomas Seeley, Fries und Camazine und von Dr. Ritter als Belege für die o.g. Erkenntnisse genauer vorgestellt.

Prof. Seeley (11) fasst die Ergebnisse seiner Untersuchungen wie folgt zusammen: „Wenn man weiß, dass die wilden Honigbienen-Völker, die in und um den Arnot Forest leben, aus eigener Kraft überleben können, dann macht sie das zu attraktiven Subjekten, an denen man untersuchen kann, wie die Honigbienen eine stabile Ko-Existenz mit ihren Parasiten und Krankheitskeimen erreichen können“, und „Der Kontrast zwischen der Stabilität dieser Population von wild lebenden Völkern (im Arnot Forest) und den Rückgängen von bewirtschafteten Völkern deutet an, dass die momentanen Imkermethoden zu den Verlusten der bewirtschafteten Völker beitragen.“

Prof. Seeley weist auf folgenden Praktiken hin: 

  • Völkern Milben-kontrollierende Behandlungen zu geben, wodurch wenig oder keine Selektion hin zu milben-resistenten Bienen erfolgt
  • Völker zusammenzudrängen in Imkereien, so dass horizontale Übertragung von Krankheiten begünstigt wird
  • Völker in der Weise zu bewirtschaften, dass sie unnatürlich groß sind, so dass sie eine große Honigproduktion aufweisen und niedrige Schwarmraten
  • Völker von Ort zu Ort zu bewegen, so dass dort sowohl starker Genfluss eintritt, der die Veränderung der lokalen Allelfrequenzen in geschlossenen Populationen durch natürliche Selektion unterbindet, als auch die schnelle Verbreitung von Krankheitskeimen stattfindet“.

Abschließend meint er: „Es ist mehr Arbeit nötig, um diese Ideen zu testen, aber es scheint jetzt wahrscheinlich, dass eine geschlossene Population von Honigbienen-Völkern, die sich selbst überlassen und der erlaubt wird, natürlich zu leben, eine ausbalancierte Beziehung mit ihren Krankheitsüberträgern und ihrer Umgebung als Ganzes entwickeln wird “.

Die Wissenschaftler Fries und Camazine [12] haben sich mit den Übertragungswegen und der Virulenz von Bienenerkrankungen beschäftigt und kommen zu dem Ergebnis, dass die verbreitete imkerliche Praxis die Virulenz der Krankheitserreger steigert, u.a. durch die Kontrolle des Schwarms, durch  Bienenstöcke mit einer großen Anzahl von Völkern, durch die Umverteilung von Waben zwischen den Völkern. Sie schlagen deshalb vor eine Änderung der Betriebsweise vorzunehmen: „Ohne Zweifel schafft die Bienenhaltung Bedingungen, durch die die horizontale Übertragung gegenüber der vertikalen Übertragung begünstigt wird. Die Theorie weist darauf hin, dass Bienenhaltung an sich geeignet ist, Bienenkrankheiten mit höherer Virulenz herauszuselektieren. Als Schlussfolgerung hieraus könnte die Bienenhaltung daraus Nutzen ziehen, die horizontale Weitergabe von Krankheiten durch geringere Größe der Bienenstände und verflugsmindernde Aufstellung der Völker zu verringern. Weiterhin sollte der Austausch von Bienen und Brut zwischen Völkern sowie alle Vorgehensweisen vermieden werden, die das Abkoten in den Völkern oder das Zerdrücken von Bienen hervorrufen.“

Dr. Ritter (2016) geht im Zusammenhang mit dem Schwarmverhalten auf die Selbstheilungskräfte der Bienen ein: „Schon während des Fluges und der Zeit in der Schwarmtraube wird das mitgenommene Futter verbraucht. Mit der Produktion von Wachs und dem Bau der Waben bleibt fast nichts mehr davon zurück. Beim engen Kontakt im Schwarm und später in der Bautraube gehen auch noch die Sporen der Krankheitserreger im Haarkleid verloren. Der Rest wird in den Waben unschädlich verbaut. Nicht ohne Grund werden an Faulbrut und anderen Brutkrankheiten erkrankte Völker mit dem Kunstschwarm saniert… Die Vermehrung der Varroa Milbe wird durch das Schwärmen ebenfalls eingeschränkt, da es sowohl im Muttervolk als auch im Schwarm zur Unterbrechung der Aufzucht von Brut kommt.“(13)

Im nächsten Abschnitt erläutert die Autorin über die Bedeutung und den Zusammenhang zwischen der Virulenz von Krankheitserregern und deren Übertragungswegen. Unter Virulenz versteht man die Ansteckungskraft eines Krankheitserregers und bei den Übertragungswegen unterscheidet man zwischen einer horizontalen von einer vertikalen. Eine horizontale Übertragung liegt dann vor, wenn eine infizierte Arbeiterin eine Krankheit an eine andere Arbeiterin oder die Brut im eigenen Volk überträgt, eine vertikale Übertragung erfolgt z.B. durch die Übertragung des Erregers von der Königin an die Tochter-Arbeiterin oder durch Schwärmen. Die Virulenz eines Erregers hängt nun im starken Maße davon ab, welchen Übertragungsweg sich der Erreger sucht.

Genersch (2010) erklärt dies folgendermaßen:“ Erreger, die vertikal übertragen werden, sprich: Erreger, die von einer Wirts-Generation (Eltern) auf die nächste Wirts-Generation (Nachkommen) übertragen werden, werden weniger infektiöse Formen entwickeln mit wenig Einfluss auf die Vitalität des Wirtes, da ja die Fortpflanzung des Wirtes für die Übertragung der Erreger notwendig ist. Im Gegensatz dazu können Erreger, die horizontal übertragen werden, sprich: Erreger, die innerhalb einer Wirts-Population unabhängig von der Fortpflanzung des Wirts übertragen werden, virulentere Formen mit hohem negativen Einfluss auf die Vitalität des Wirts entwickeln.“ (14) 

Das heißt, wenn ein Krankheitserreger sein Überleben sichern möchte, ist er auf die Gesundhaltung seines Wirts angewiesen, aber nur dann, wenn dieser den vertikalen Übertragungsweg wählt; dann kann man davon ausgehen, dass der Erreger sich angepasst hat und nicht virulent ist. Wenn allerdings der Erreger erfährt, dass er auch dann überlebt, wenn sein Wirt „sterbenskrank“ ist, z.B. weil er mittels einer Brutwabe in ein anderes Bienenvolk gesetzt wird, oder durch Verflug in ein anders Bienenvolk getragen wird, dann ist er nicht gezwungen, sich so anzupassen, dass sein Ursprungswirt überlebt.

Literatur:

 (10)  B. Locke, „Natural Varroa mite-surviving Apis mellifera honeybee populations,“ Apidologie 47, pp. 467-482, 2015.

(11) T. Seeley, D. Tarpy, G. S.R., A. Carcione und D. Delaney, „A survivor population of wild colonies of European honeybees in the northeastern United States: investigating its genetic structure,“ Apidologie 46 (5), pp. 654-666, 2015.

(12) I. Fries und S. Camazine, „Implications of horizontal and vertical pathogen transmission for honey bee epidemiology,“ Apidologie 32 (3), pp. 199-214, 2001. (13) W. Ritter, „Wie halten Sie‘s mit Schwärmen?,“ ADIZ-die biene-Imkerfreund, pp. 7-9, April 2016. (14) E. Genersch, „American Foulbrood in honeybees and its causative agent, Paenibacillus larvae,“ Journal of Invertebrate Pathology 103, pp. 510-519, 2010.

Item added to cart.
0 items - 0,00