Varroaresistente und gesunde Honigbienen – Imkerliche Praktiken überdenken

Teil 4

Honigbienen haben die Fähigkeit  eine Resistenz gegenüber der Varroa-Milbe zu entwickeln. Voraussetzung hierfür ist herkömmliche imkerliche Praktiken zu überdenken und mit einer  artgerechte Honigbienenhaltung und artgerechten Wahlzucht zu beginnen.

Sigrun Mittl, Diplom-Biologin, www.bienen-dialoge.de, Februar 2017

Bei dem folgenden Artikel handelt es sich um eine Zusammenfassung des überaus informativen und aufschlussreichen Beitrages von Sigrun Mittl (Diplom-Biologin), den sie auf der Website www.bienen-dialoge.de veröffentlicht hat.

Zusammenfassung: Harald Rausch

Der Weg, den die Imker einschlagen sollten, wäre von der  „intensiven“ Honigbienenzucht zur artgerechten „Wahlzucht“ zu gelangen.

Unter einer „intensiven“ Honigbienenzucht ist die Zucht von Königinnen in Pflegevölkern, die Bildung von Ablegern aus starken Völkern, die instrumentelle Besamung von Königinnen zu verstehen und die Zuchtziele sind vorrangig Honigertrag und Sanftmut. Statt den Begriff einer „artgerechten“ Bienenzucht zu verwenden, entscheidet sich Sigrun  Mittl für den Begriff „Wahlzucht“ von Guido Sklenar (siehe hierzu Teil 5).

Wissenschaftler(innen) haben  Honigbienen verschiedenster Unterarten auf Varroaresistenz gezüchtet (15-26) und festgestellt, dass alle Unterarten die Fähigkeit besitzen, resistent zu werden. Die Resistenz gegen die Varroa kommt durch verschiedene Faktoren zustande; zum einem ist die Ausräumrate von Milben durch erwachsene Bienen hoch (hygienisches Verhalten) oder die Putzrate hoch (Grooming) oder die Brut unterdrückt die Fruchtbarkeit der Milben. Auch die Schwarmhäufigkeit verringert die Milbenbelastung. Ebenso können  äußere Umweltfaktoren und bestimmte Imkerpraktiken die Resistenz beeinflussen.  

Die in Deutschland tätige Arbeitsgemeinschaft Toleranzzucht (AGT) konnte bisher keinen durchschlagenden Erfolg erzielen, dennoch können einige Methoden für den Weg der Resistenzzucht sinnvoll genutzt werden, die im Methodenhandbuch der Arbeitsgemeinschaft Toleranzzucht (27) beschrieben werden; die Methoden zielen auf die Ermittlung der Milbenbelastung, die Vitalität und die Bruthygiene eines Volkes ab. „Um eine Beurteilung der individuellen Befallsentwicklung als Grundlage für die Zuchtwertschätzung vornehmen zu können, wird der Befall der Prüfvölker während der Salweidenblüte sowie im Sommer (Zeitraum Ende Juni – August) ermittelt. Potentielle Zuchtvölker, die niedrige Befallswerte aufweisen, sollen unbehandelt weiter beobachtet und möglichst ohne Akarizidbehandlung eingewintert werden. Dieser sogenannte Vitalitätstest ermöglicht die Auswahl varroatoleranter Zuchtvölker anhand ihrer Winterfestigkeit“ (27).

John Kefuss hatte 1999 damit aufgehört, seine Völker zu behandeln. Nach wenigen Jahren hatte er zwei Drittel seiner Völker verloren, aber durch gezielte Zucht wieder einen hohen Völkerbestand erreicht. Er hat seine Methode beschrieben (Kefuss, et al. 1996), die zur Varroa-Resistenz der Bienenvölker führt und unter dem Namen „Bond-Methode“ bekannt wurde. Für Züchter oder Imker entwickelte er die „Soft-Bond-Methode“. Im ersten Schritt ermittelt man die Völker mit der höchsten Honigproduktion. Im zweiten Schritt werden die Völker hinsichtlich ihrer Fähigkeit zum Hygienischen Verhalten untersucht. Die Völker, die eine hohe Ausräumrate aufweisen, werden auf einen anderen Bienenstand gebracht und die Behandlung gegen die Varroa beendet. Die Völker werden intensiv weiterbeobachtet und Völker, die hoch belastet sind, aufgelöst. Auf diese Weise werden mit der Zeit resistente Völker herausselektiert und weitervermehrt (28, 29). Und Völker mit einem hohen Hygieneverhalten sind auch resistent gegen die Amerikanische Faulbrut und die Kalkbrut (30).

Guzman-Novoa et al. (2012) untersuchten die Fähigkeit der Westlichen Honigbiene mittels eines ausgiebigen Putzverhaltens (Grooming) die Befallszahlen der Varroa zu begrenzen. Sie stellten fest, dass Honigbienen aus „resistenten“ Völkern niedrigere Milbenpopulationsraten (bis zu 15-fach) und höhere Prozentsätze geschädigter Milben (bis zu 9-fach) aufweisen und kamen zu folgendem Schluss: „Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass das Pflegeverhalten und die Intensität, mit der die Bienen es durchführen, eine wichtige Komponente in der Resistenz einiger Honigbienen-Genotypen gegenüber dem Wachstum von Varroamilbenpopulationen ist“ (31).

Dieses Wissen der Varroa-Resistenz der Honigbienen wurde schon von Ruttner & Hänel 1992 (32) entdeckt und dokumentiert, leider aber nicht genutzt um Völker auf dieses Merkmal hin zu selektieren. Die beiden Forscher zeigten bei Völkern, die eine langsame Entwicklungsrate von Varroa aufwiesen, dass der Milbentotenfall auf der Windel dem Sechsfachen von Völkern entsprach, die nicht selektiert waren. Beispielsweise betrug er Milbentotenfall eines Volkes innerhalb sechs Wochen 1640 Milben und 40% davon waren beschädigt (32). Diese Fähigkeit der Honigbienen, Varroa-Milben zu beschädigen und damit ihre Fortpflanzung zu unterbinden ist eine Merkmal des Grooming-Verhaltens und Untersuchungen müssen zeigen, welcher Richtwert (%-Zahl beschädigter Milben) ein Volk als eines mit hoher Grooming-Rate ausweist.

Für die Gesundung der Honigbienen ist es  wichtig die bisherige imkerliche Praxis zu überdenken und dahingehend zu ändern,  den Bienen Stressfaktoren zu nehmen, indem man eine artgerechte Honigbienenhaltung und artgerechte Wahlzucht mit dem Ziel der Resistenzbildung gegen Varroa und andere Erreger in den Blick nimmt.

Dabei geht es gleichzeitig auch um den Erhalt von Wildbienen. Fürst et al. (2014) haben gezeigt, dass überall da, wo infizierte Honigbienen vorkamen, auch infizierte Hummeln vorkamen. Eine Übertragung von virulenten Krankheitserregern von Honigbienen auf Wildbienen wie in diesem Fall Hummeln ist sehr wahrscheinlich und könnte für den Rückgang dieser Art mit verantwortlich sein (33).  Die Wege hin zu einer behandlungsfreien Bienenhaltung sind vielfältig; es kann kein Entweder-Oder geben.  Man kann einige Völker in intensiver Bienenhaltung und einige in natürlicher, extensiver, behandlungsfreier Bienenhaltung bewirtschaften. Man kann mit Milbenvernichtungsmitteln behandeln oder/und die komplette Brutentnahme nutzen oder einige Völker der natürlichen Selektion überlassen. Klar ist, dass die natürliche Bienenhaltung in Kombination mit der Bond-Methode bzw. mit der  Soft-Bond-Methode (keine Fütterung, keine Behandlung, kein sonstiger Eingriff, „Honigklau“ nur dann, wenn genügend Honig für Überwinterung im Volk ist) am schnellsten zu resistenten Völkern führt. Die Vermehrung über den Schwarm bzw. Schwarmvorwegnahme verhindert  eine Horizontale Übertragung von Krankheitserregern und der Einsatz der kompletten Brutentnahme zur Varroabekämpfung verhindert zumindest schon einmal die Züchtung von immer aggressiveren Varroen und anderen Krankheitserregern.

Literatur:

(15) J. Harbo und J. Harris, „Selecting honeybees for resistance to Varroa jabobsoni,“ Apidologie 30 (2-3), pp. 183-196, 1999.

(16) J. Harris, R. Danka und J. Villa, „Honey Bee (Hymenoptera: Apidae) with the trait of Varroa Sensitive Hygiene remove brood with all reproductive stages of Varroa mites,“ Annals of the Entomological Society of America 103 (2), pp. 146-152, 2010.

(17) O. Boecking und M. Spivak, „Behavioral defenses of honey bees against Varroa jacobsoni Oud.,“ Apidologie 30, pp. 141-158, 1999.

(18) J. Harbo und J. Harris, „Heritability in Honey Bees (Hymenoptera: Apidae) of characteristics associated with resistance to Varroa jacobsoni (Mesostigmata: Varroidae),“ Journal of Economic Entomology 92 (2), pp. 261-265, 1999.

(19) M. Spivak, G. Reuter und D. Swenson, „A sustainable approach to controlling Varroa mites of honey bees – Final Report,“ Sustainable Agriculture Research & Education, p. 13, 2001.

(20) M. Spivak und G. Reuter, „Varroa destructor infestation in untreated honey bee (Hymenoptera: Apidae) colonies selected for hygienic behavior,“ Journal of Economic Entomology 94 (2)l, pp. 326-331, 2001.

(21) A. Ibrahim und M. Spivak, „The relationship between hygienic behavior and supression of mite reproduction as honey bee (Apis mellifera) mechanisms of resistance to Varroa destructor,“ Apidologie 37, pp. 31-40, 2006.

(22) R. Büchler, S. Berg und Y. Le Conte, „Breeding for resistance to Varroa destructor in Europe,“ Apidologie 41, pp. 393-408, 2010.

(23) J. Kefuss, J. Vanpoucke, M. Bolt und C. Kefuss, „Selection for resistance to Varroa destructor under commercial beekeeping conditions,“ Journal of Apicultural Research 54 (5), pp. 563-576, 2015.

(24) J. Harbo und J. Harris, „Suppressed mite reproduction explained by the behavior of adult bees,“ Journal of Apicultural Research 44 (1), pp. 21-23, 2005.

(25) J. Harris und J. Harbo, „Low sperm counts and reduced fecundity of mites in colonies of honey bees (Hymenoptera: Apidae) resistant to Varroa jacobsoni (Mesostigmata: Varroidae),“ Journal of Economic Entomology 92 (1), pp. 83-90, 1999.

(26) J. Harbo und R. Hoopingarner, „Honey bees (Hymenoptera: Apidae) in the United States that express resistance to Varroa jacobsoni (Mesostigmata: Varroidae),“ Journal of Economic Entomology 90 (4), pp. 893-898, 1997.

(27) Arbeitsgemeinschaft Toleranzzucht, „Methodenhandbuch, 2. Auflage,“ Kirchhain, 2013.

(28) J. Kefuss, S. Taber III, J. Vanpoucke und F. Rey, „A practical method to test for disease resistance in honey bees,“ American Bee Journal 136 (1), pp. 31-32, 1996.

(29) K. Gramacho, L. Goncalves, P. Rosenkranz und D. De Jong, „Influence of body fluid from pin-killed honey bee pupae on hygienic behavior,“ Apidologie 30, pp. 367-374, 1999.

(30) M. Spivak und G. Reuter, „Resistance to American foulbrood disease by honey bee colonies Apis mellifera bred for hygienic behavior,“ Apidologie 32, pp. 555-565, 2001.

(31) E. Guzman-Novoa, B. Emsen, P. Unger, L. Espinosa-Montano und T. Petukhova, „Genotypic variability and relationships between mite infestation levels, mite damage, grooming intensity and removal of Varroa destructor mites in selected strains of worker honey bees (Apis mellifera L.),“ Journal of Invertebrate Pathology 110 (3), pp. 314-320, 2012.

(32) F. Ruttner und H. Hänel, „Active defense against Varroa mites in a Carniolian strain of honeybee (Apis mellifera carnica Pollman),“ Apidologie 23, pp. 173-187, 1992.

(33) M. Fürst, D. McMahon, J. Osborne, R. Paxton und M. Brown, „Disease associations between honeybees and bumblebees as a threat to wild pollinators,“ Nature 506, pp. 364-366, 2014.

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